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Einführung zum 1. Buch der Botschaften


(Miriam - Verlag, D-7893 Jestetten)

Als ich im Frühjahr 1986 mein erstes Gespräch mit Vassula hatte, konnte ich mir noch nicht vorstellen, daß ich eines Tages an dieser Stelle eine Einführung über diese Offenbarungen des göttlichen Herzens Jesu schreiben würde. Tatsächlich war meine erste Reaktion ganz negativ. Der wahre Grund, der mich bewog, ihre Schriften zu studieren, war folgender: Ich wollte Irrtümer darin entdecken, um Vassula überzeugen zu können, das Ganze aufzugeben. Aber mit der Zeit habe ich nach und nach begriffen, daß die Person, die ich kannte, nicht von sich aus die Weisheit besitzen kann, die sich in diesen Schriften widerspiegelt. Während dieses Zeitraums kannte sie sich weder in der Theologie noch in der Heiligen Schrift aus. Trotz dieser Tatsache bekundete sie in ihren Schriften eine tiefe Kenntnis der göttlichen Dinge.

Sie schrieb jedoch auf sehr einfache und originelle Art. Das war keineswegs die Sprache des Katechismus oder der Theologie. Hier sprach jemand, der die Wahrheit kennt und sie auf originelle Weise wiedergibt. Nach und nach bin ich zur Überzeugung gekommen, daß Jesus ihr eine Botschaft für die heutige Zeit gegeben hat, und so bin ich ihr geistlicher Führer geworden.

Die Einfachheit der Sprache könnte anfangs wohl den Zweifel aufkommen lassen, ob diese Botschaft wirklich von Gott kommt. Vielleicht haben wir vergessen, daß Maria in Lourdes sich der Mundart der Gegend bedient hat, als sie Bernadette ansprach. Auf jeden Fall, wenn wir verstehen wollen, was mit Vassula geschieht, müssen wir begreifen, daß sie das Angebot Gottes angenommen hat, das Werkzeug Seines Wortes zu sein. Wie das Instrument eines Musikers hat sie ihre eigenen Qualitäten, die zum entscheidenden Werk gehören, das (in diesem Fall) der göttliche Künstler mit ihr teilt.

In der Sprache der mystischen Theologie müßte man sagen, daß Vassula innere Anweisungen erhält. Sie sieht Jesus nicht mit den Augen des Körpers noch hört sie Ihn mit ihren Ohren. Sie sieht und hört Gott auf geistige Art, die nichtsdestoweniger klar und deutlich ist. Gott spricht wirklich zu ihr, aber er paßt sich ihrer Fähigkeit an. Er benützt eine Sprache, die sie versteht. Es ist nicht die Sprache eines Berufstheologen. Diese scheinbar einfache Sprache enthält dennoch tiefe Wahrheiten. Es ist oft dieselbe Sprache, die Gott auch in der Bibel gebraucht, und nicht die Sprache der modernen Philosophie oder Theologie.

Der hl. Paulus hat diese Methode der göttlichen Belehrung sehr gut bezeichnet, wenn er sagt: "Ich werde die Weisheit der Weisen zerstören und den Verstand der Intelligenten vernichten. Wo ist denn der Weise?" (1 Kor 1, 19­20).

Wie jedes menschliche Wesen, so müssen auch Vassula und andere Mystiker ständig gegen ihre menschlichen Schwächen kämpfen, indem sie die Gabe des machtvollen Wirkens Gottes in ihrem Leben annehmen. Darum finden wir in den Schriften die ständige Versuchung von Vassula, daran zu zweifeln, ob sie wirklich dieses Charisma erhalten hat. Der echte Mystiker ist sich zutiefst seines eigenen Nichts bewußt. In der Tat ist die Macht der Barmherzigkeit und Liebe Gottes so überraschend groß, daß sogar der Mystiker (in diesem Falle Vassula) versucht ist, daran zu zweifeln.

Obschon viele Mystiker die Gabe der inneren Sprache (Erkenntnis) erhalten haben, so besitzt doch Vassula eine Gabe, die zumindest ungewöhnlich ist. Jesus führt buchstäblich ihre Hand. Man kann das mit einem Tennislehrer vergleichen, der mit seinem Schüler die richtigen Bewegungen macht, indem er die Hand des Schülers konkret leitet. Das ist aber nicht die einzige Originalität ihrer Offenbarungen. Jesus erinnert uns in unserer modernen Zeit an eine oft vergessene Tatsache: daß Gott nämlich aktiv in unsere Welt eingreift und mit uns verbunden ist. Jesus hat es so formuliert: "Ich bin der Rebstock, ihr seid die Rebzweige ... Ohne Mich könnt ihr nichts tun" Joh 15, 5).

Es ist in der Tat wichtig, uns daran zu erinnern, daß die Offenbarungen, die Vassula erhält, nicht einfach und hauptsächlich für sie selber bestimmt sind. Gott will, daß wir begreifen, wie sehr Er einen jeden einzelnen von uns liebt. Er will, daß wir begreifen, daß Er unser "göttlicher Weggenosse" ist. Diese Liebe Gottes müssen wir vor allem verstehen, wenn wir den wesentlichen Inhalt der Botschaften erfassen wollen.

In der Tat sind diese Schriften ein dringender Aufruf an uns alle zur persönlichen Bekehrung: eine Arbeit, die uns jeden Tag von neuem fordert. Die Bekehrung ist ein ständiges Wachsen in der Liebe zu Christus und ein Loslassen von allem, was uns von Ihm trennt. Diese Schriften sind eine flehentliche Bitte der Liebe selbst an unsere Liebe. Sie erinnern uns alle daran, daß das erste und größte Gebot Gottes darin besteht, Ihn über alles zu lieben, mehr als alle Menschen und Dinge, aus ganzem Herzen, mit ganzer Seele und aus allen Kräften. Es ist der Ruf Gottes an uns, Ihn anzubeten. Er ruft uns auf, nach Ihm zu dürsten, unsere Armut, unsere Blöße und unsere Kleinheit anzuerkennen. Diese Botschaften sind ein Anruf an uns, uns ganz Ihm zu überlassen, um unser wahres Leben in Ihm zu finden.

Der Gott, der sich in diesen Seiten offenbart, ist ein über alles liebender Vater. Er ist der "Abba", den Jesus bereits kannte und den Paulus kennen und lieben gelernt hat. Als liebender Vater und göttlicher Bräutigam der Kirche benützt Gott die Sprache der Liebe. Wer die Bibel liest, fühlt sich sozusagen zu Hause bei dieser Sprache. Ja, denn auch in der Bibel offenbart sich Gott auf verschiedene Weise als die Quelle und das Urbild jeder menschlichen Liebe.

Es ist die Liebe eines Vaters, der gleichzeitig auch ein Lehrmeister ist. Er benützt eine einfache Sprache, die sich an alle wendet. Wie ein Lehrer wiederholt Er sich oft und kommt doch vorwärts. Diese Sprache der Liebe, diese Einfachheit in der Ausdrucksweise und das ständige Zurückgreifen auf "schon Gesagtes", um es zu vertiefen, kann manchen Lesern zum Problem werden. Wenn wir aber ganz klein bleiben, können wir diese Hindernisse überwinden und in den Raum der Weisheit eintreten.

Diese Schriften zeigen es deutlich: Wenn wir dem Ruf der Liebe unseres Vaters Folge leisten wollen, müssen wir den Glauben der kleinen Kinder besitzen. Das ist sehr schwer für viele von uns, Priester wie Laien unserer Zeit. Wir begnügen uns damit, zu glauben, daß wir schon wissen, wie wir unser eigenes Leben zu gestalten haben. Jesus verlangt von uns die Hingabe unserer Freiheit - ein totales Aufgeben -, um die wahre Freiheit und das Leben in Ihm zu finden. Erst jetzt verstehe ich, daß ich vor dieser Offenbarung dazu neigte, zu glauben, ich hätte ein recht gutes Verständnis der Theologie und der Schriften. Wie viele andere Priester hatte auch ich die Tendenz, zu vergessen, daß Jesus uns versprochen hatte, uns Seinen Geist zu senden, um uns das Verständnis der Heiligen Schrift und der Tradition zu erschließen: dieser privaten Offenbarung, die ja ein wesentlicher Teil der Kirche ist.

Es liegt ein so tiefgründiger Sinn in der Heiligen Schrift, daß sie nicht allein durch die wissenschaftlichen Exegeten erklärt und "geklärt" werden kann. Wenn wir uns an diesem Punkt aufhalten, sind wir wie die Pharisäer zur Zeit Jesu. Sie hielten fest an der Geschichte (der Bibel) und waren verschlossen (blind) für die dynamische Kraft Gottes, welche den Menschen begleiten wollte. Obwohl Jesus durch die Heilige Schrift vorausgesagt worden war, schien Er den Juden doch zu »neu« und verschieden, um als die Verwirklichung ihrer Hoffnungen anerkannt zu werden.

Was wir heute brauchen, das ist gerade dieser Glaube der kleinen Kinder, der das Eingreifen des Heiligen Geistes in unserer Zeit nicht behindert. Nur dieser kindliche Glaube befähigt uns, Erfahrungen mit Gott zu machen, wie Jesus und der hl. Paulus es erfahren haben: Gott als unseren himmlischen "Abba", Vater. Wir haben also diese innige Liebe der Kinder zu einer wirklichen Person, die sie als wahren Vater erfahren haben.

Diese kindliche Haltung betrifft nicht nur das persönliche innere Leben. In diesen Offenbarungen zeigt uns Christus deutlich, daß der Schlüssel für die Einheit der Christen, die religiöse Einheit aller Seiner Kinder Demut und Liebe ist.

Es fehlt uns also an Demut und Liebe, wenn diese Einheit unmöglich scheint. Trotzdem versichert uns hier Jesus, daß Er bald durch Seine eigene Kraft und zu Seiner eigenen Ehre diese Einheit vollziehen werde. Es wird also eine einzige Herde und ein einziger Hirte sein. Das Gebet Jesu beim Letzten Abendmahl wird nicht umsonst gesprochen sein.

Lieber Leser, ich empfehle Ihnen, jedes Mißtrauen, das Sie anfangs beim Lesen dieser Schriften empfinden könnten, zu überwinden. Seien Sie offen und geduldig, dann werden Sie in diesen Texten Körner der Liebe finden, die in Ihrem Herzen Wurzeln schlagen werden, wie sie schon Wurzeln gefaßt und Früchte getragen haben in vielen anderen Herzen. Das geistige Abenteuer dieses Buches ist nicht nur das Abenteuer einer Seele, es ist eine Einladung an alle, in eine Zukunft des Friedens und der Liebe zu schauen, und zwar mit Hoffnung und Vertrauen.

R.P. James Fannan

Professor der Philosophie


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